Siedepunkt
»Man soll dem Leib etwas Gutes bieten, damit die Seele Lust hat, darin zu wohnen.« Diesem Satz von Teresa de Ávilas folgend, konnten wir bei Pauls erstem Studentenjob als Honorarkraft in seiner vorlesungsfreien Zeit am 9. März 2019 das Nützliche mit dem Angenehmen in Gestalt eines leckeren Abendessens im Restaurant »Siedepunkt« in der Münsterstadt Ulm verbinden. Das Restaurant befindet sich in der Eberhard-Finckh-Straße 17, im gleichen Gebäude wie ein anderes Restaurant mit dem dazu passenden Namen »100GRAD« (sollte in Ulm eigentlich »98,4GRAD« heißen).
Im Restaurant »Siedepunkt«, das zum Zeitpunkt unseres Besuchs mit einem Stern des Guide Michelin und 16 Punkten des Gault Millau ausgezeichnet war, verwöhnten uns Küchenchef Christoph Hormel und sein Team mit exzellentem »KunstHANDWERK« für dessen erlesene wie perfekt abgestimmte Weinbegleitung die aus der etwas weiteren Nachbarschaft Heilbronns stammende Sommelière Maren Stegmaier verantwortlich zeichnete, die dann auch noch als Gastgeberin gemeinsam mit ihrem Serviceteam, freundlich und stets aufmerksam, den Abend zu einem rundum gelungenen Genuss für uns machte.
Hoffentlich haben wir euch damit, und auch mit den nachfolgenden Details, motiviert, selbst mal in diesem Restaurant vorbeizuschauen. Kommentare zu dieser Seite, zur notwendigerweise subjektiven Bewertung des Restaurants und auch zum Restaurant selbst könnt ihr gerne im Kontaktformular am Ende der Seite eingeben. Durch einen Klick auf eines der (animierten) Bilder landet ihr in der Bildergalerie, wo ihr diese und noch mehr Bilder in etwas besserer Auflösung sehen könnt. Hervorgehobene Textpassagen führen euch zu externen Inhalten, die oftmals interessant und hilfreich zum Verständnis sein können.
AUFTAKT
Im Gegensatz zu dem in seiner Vollständigkeit angebotenen und von uns auch so gewählten Menü, mussten wir uns beim angebotenen Aperitif dann doch selbst beschränken, da wir ja auch noch die Weinbegleitung für das Menü genießen wollten. Unsere Wahl fiel daher auf einen Grand C Crémant d’Alsace Brut sowie einen Muskattrollinger Rosé Brut aus dem (für uns) heimischen Weingut Kistenmacher und Hengerer in Heilbronn, dessen leuchtendes Pink allein schon farblich ein belebender und erfrischender Auftakt war.
Gleichzeitig mit dem Aperitif erreichte uns bereits der erste Willkommensgruß aus der Küche, der uns gleich zu Beginn die Liebe des Küchenchefs zum Cerdo Ibérico (dem iberischen Schwein) offenbarte: Gepökeltes Schweinefleisch auf Sauerkraut gepaart mit einer Senfmayonnaise, auf den Punkt gegartes Eigelb mit Kaviar auf einer Schnittlauch-Frischkäse-Crème und (quasi als Ausblick auf das Grande Finale der noch vor uns liegenden kulinarischen Symphonie) Rote-Beete-Macarons gefüllt mit einer in sanftem Rotton harmonierenden Meerrettich-Ziegenkäse-Crème
BROT UND SPIELE
Als nächsten Zwischengang erreichte uns eine Brotauswahl, die uns gemäß unseren Gebrauchs den weiteren Abend begleiten sollte: Ein klassisches Weißbrot, dessen knusprige Kruste und Leichtigkeit auch den Parisiens Respekt abgenötigt hätte, ein Sauerkraut-Speck-Brot, das unserer lokalen »revolutionär traditionellen« Bäckerei Eitel in Heilbronn Paroli bieten kann und ein Cranberry-Walnuss-Brot, das der mittlerweile fast schon traditionellen Frucht-Nuss-Kombination ein kleines Häubchen aufsetzen konnte.
Für diesen Zwischengang (und auch als Zwischenhäppchen danach) waren die dazu gereichte leicht gesalzene Butter und der Steinpilzfrischkäse eine willkommene geschmackliche Bereicherung. Für die Aufnahme der letzten Tröpfchen flüssiger Ingredienzien der nachfolgenden Gänge, die sich dem immer vorhandenen Saucenlöffel verweigerten, war das Brot ein perfektes Werkzeug und ein passender Geschmacksträger im wahrsten Sinne des Wortes.
Welcher Imperator hätte bei dieser Brotauswahl wohl anders entscheiden können, als seinen Daumen gen Himmel zu recken?
GRUSS AUS DER KÜCHE
Als wären wir noch immer nicht genug willkommen geheißen, gab es als nächsten Gruß aus der Küche ein Papada Ibérica, also ein Stück Kinnfleisch vom iberischen Schwein, auf einem Radicchioschaum mit einem Klecks Avocadocrème. Ein exzellentes kleines Häppchen, das abermals die Affinität des Kochs zur Qualität des iberischen Schweins unterstrichen hat: »Wollen wir ein Tier retten, müssen wir es essen« (Slogan der italienischen Slow-Food-Bewegung).
KABELJAU | WINTERGEMÜSE | BUTTERMILCH
Nach dem mehrfachen Willkommensgruß begann nun der Ernst des Essens mit dem ersten Gang des gewählten Menüs. Als passende Begleitung gab es dazu einen Grauburgunder vom Weingut Klumpp in Bruchsal (also immer noch aus der Nähe unserer Heimatstadt).
Hinter den minimalistisch angegebenen Zutaten auf der Speisekarte verbarg sich ein gebeizter Kabeljau (sozusagen ein nicht bereits in der Küche in Scheiben geschnittenes Sashimi) auf einer Petersilie-Buttermilch-Sauce mit Stockfischkroketten und Räucherfischsauce (also eine Gourmetvariante der nicht nur bei Kinder beliebten Fischstäbchen) und einem abwechslungsreichen Wintergemüse-Carpaccio in begeisternder Farb- und Formvielfalt … Diese Kombination (einschließlich des Weins) weckt die Erinnerung an Meer und auch den Wunsch nach mehr.
GARNELE | KAROTTE | ESTRAGON
Zum zweiten Gang gab es ein weiteres Schmankerl: Ein Roter Veltliner (»Hietl-Roter«) vom Weingut Josef Fritz aus Österreich, gekeltert aus einer Rebsorte, die wohl nur in der Alpenrepublik und auf gerade noch 200 Hektar Anbaufläche angebaut wird.
Zum Essen bleiben wir immer noch am Meer: Elegant räkelt sich die Garnele auf einem Estragonschaum und wird vom Rande aus von Karottenscheiben und -röllchen beäugt. Hauchdünne Scheiben von Karotte umschlossen das Garnelengelee und das Karotten-Anis-Sorbet lag auf einem Bett von weißen Olivenkrümeln … Der Estragonschaum ruft förmlich nach Einsatz des dazu gereichten Brots, damit auch ja nichts von dem leckeren Schaum in der Spülmaschine landet.
JAKOBSMUSCHEL | SCHWEINEBAUCH | ROTES THAICURRY
Eingeführt und begleitet wird dieser Gang von einem Riesling »feinherb« vom Weingut Albert Kallfelz an der Mosel. Mit der dem Ausbau verdankten Restsüße, ist dieser Wein auch etwas für ansonsten eingefleischte Riesling-Hasser und harmoniert dazu auch noch perfekt mit der spürbaren aber nicht übertriebenen Schärfe des Thaicurrys.
Auf dem Teller findet sich (wie bereits erwähnt) der Schaum des Thaicurrys, für dessen rückstandslosen Genuss (wie ebenfalls bereits erwähnt) das dazu gereichte Brot ein Muss ist, und auf dem die Jakobsmuscheln und der Bauch des iberischen Schweins (davon hatten wir es ja auch schon) angerichtet sind. In der Sauce fnden sich noch Thai-Auberginen und als Krönung des Ganzen gibt es noch etwas Grünspargel in gekonnter Lässigkeit auf allem drapiert … Ein gelungenes Gesamtkunstwerk.
WILDHASE | LINSEN | PANCETTA
Im Rahmen der Weinbegleitung entführte uns die Sommelière nun nach Italien: Ein Bolgheri DOC der Villa Donoratico aus der Toskana mit viel Merlot und etwas Cabernet und einer entsprechend tiefroten Farbe stimmte uns auf diesen Gang ein.
Der Hase ruhte je zur Hälfte auf einem Bett aus Dijon-Thymian-Schaum sowie Linsen und wurde von einer kleinen Scheibe knusprig gebratenen Specks gestützt – natürlich vom iberischen Schwein, wie sollte es auch anders sein.
STEINBUTT | KOHLRABI | PILZE
Nach dem kurzen Ausflug nach Italien landeten wir mit einer Kreation Weiß S vom Bönnigheimer Weingut Dautel (einer im alten Holz gereiften Cuvée aus Weißburgunder und Kerner) schnell wieder in heimischen Gefilden.
Dazu erwartete uns dann ein Steinbutt mit gehobeltem Trüffel und fein geschnittenen Champignons auf einem Pilztee. Das i-Tüpfelchen bei diesem Gang waren die mit Kaviar vom Steinbutt gefüllten Kohlrabitäschchen.
SCHWARZFEDERHUHN | BRUST | JIAOZI | BRÜHE
Für den nächsten Gang konnten wir uns auf den »König des Bodens« freuen: Ein schönes Stück Brust vom Poulet Noir Fermier mit Hoisin-Sauce und chinesischen Maultaschen (Jiǎozi), die ebenfalls mit Fleisch vom Schwarzfederhuhn gefüllt waren. Diese gelungene Kombination wurde mit einem Hühnertee abgerundet. Ein wahrer Genuss.
Perfekt zum Huhn ausgesucht, begleitete uns zu unserer letzten »Vorspeise« eine Cuvée aus Weißburgunder und Chardonnay vom Weingut Wittmann in Westhofen (Rheinhessen).
KALB | SCHWARZWURZEL | ROSENKOHLBLÄTTER
Die Ankündigung des Hauptgangs nebst zugehörigem Wein erinnerte uns daran, dass auch dieses kulinarische Feuerwerk leider ein Ende finden muss. Im Glas hatten wir nun einen Pinot Madeleine (die vorwitzige kleine Schwester des Pinot Noir) vom Weingut Adriane Moll in der Pfalz, ein Wein der zwei Jahre im alten Holz genießen durfte.
Dieser Wein war der perfekte Begleiter zum mit paniertem Kalbsbries, feinen Rosenkohlblättern und Schwarzwurzelchips servierten Kalbskopf. Ein überaus wohlschmeckender Hauptgang!
GRUSS AUS DER KÜCHE
Mit einem letzten Gruß aus der Küche wurde der nahende und drohende Abschied vor dem Dessert nochmals etwas hinausgezögert: Leckere Olivenflorentiner belegt mit Oliven und asiatischen Zitrusfrüchten und dazu ein Oliveneis … Unser olivensüchtiger Kater hätte sich über diesen Gang ganz besonders gefreut!
APFEL | QUITTE | HAFER
Unausweichlich waren wir damit beim Dessert gelandet: Bratapfelsorbet mit Apfelkompott, dazu Crunch vom Hafer garniert mit Red Blossom. Dazu ein Quittensorbet mit Lavendel und weißer Schokolade. Begleitet wurde dieser Gang von einer Red Roses Beerenauslese vom Weingut Kracher aus dem österreichischen Burgenland – Ein Gedicht!
SCHLUSSAKKORD
Den endgültigen Abschluss mit einer Tasse Espresso und einem Gläschen Glennfiddich bzw. Calvados versüßte uns die Pâtisserie des Hauses mit ein paar leckeren Kleinigkeiten: Ein Macaron, ein kleines Stückchen Käsekuchen und dreierlei Pralinen (Marshmallow, Baileys und ein kleiner asiatischer Kohlkopf) ließen nochmals die Erinnerung an jede Minute dieses wunderschönen und gelungenen Abends aufleben. Vielen Dank an alle, die zu diesem außergewöhnlichen Genuss beigetragen haben!
Virginia: Ich denke, da musstet ihr mehrere Stunden sitzen und essen, so viele Gänge, wie es gab. Es freut mich außerordentlich, dass es den Wein von Sabine und Hans auch in Ulm zu diesem feinen Essen gab. Wir (Undine, Ingo und ich) hatten am Samstag im Garten nur zwei Gänge, ein wunderbares Iberico auf dem Grill, sehr groß und sehr fein, hätte auf jeden Fall mithalten können … Wir mussten wegen der immer ungünstiger werdenden Lichtverhältnisse allerdings dann unseren Menüfolge entsprechend kurz halten. Also, ich denke Martin und Paul in ihrem Element. Sehr feine Küche und viel Gelegenheit beieinander zu sein. Dankeschön für die leckeren Einblicke, das nächste Mal kommen wir mit!
Undine: Das sieht ausgesprochen lecker aus und du hast es toll beschrieben. Vielleicht wirst du ja noch Restauranttester.
Sibylle: Sieht gut aus!