Baraka
Unseren zweiten Stopp auf unserer kulinarischen Reise nach Österreich und Ungarn machten wir in Budapest. Das »Restaurant Baraka« von Leora und David Seboek hatten wir bereits zweieinhalb Jahre früher entdeckt, aber was wir dieses Mal mit dem neuen Chefkoch erleben durften, übertraf das, was wir bereits kannten: Eine Offenbarung!
Es passte einfach alles: Freundlicher und zuvorkommender Service, ein überaus kompetenter und engagierter Sommelier und eine Küche die mit dem Chefkoch André Bicalho ihresgleichen sucht: Französisch-japanische Fusion-Küche vom feinsten, gepaart mit einer exquisiten Auswahl ungarischer Weine und einer ästhetischen Kunst (nicht nur) im Raum, für die die aus Israel stammende Leora Seboek verantwortlich zeichnet.
Wir haben uns an diesem Abend für das sechsgängige Menü entschieden (alternativ wird auch ein viergängiges Menü angeboten), dabei aber unterschiedliche Vorspeisen bzw. Hauptgänge gewählt. Also keine Angst: So viele Gänge wie nachfolgend beschrieben gibt es dann doch nicht. Zu jedem Gang findet ihr auch die jeweilige Geschichte, von der sich der Küchenkünstler André Bicalho inspirieren ließ (in deutscher Übersetzung).
Dieses Restaurant ist ein »Muss« für alle, die es nach Budapest schaffen, solange sich ein Besuch in Ungarn noch irgendwie mit dem eigenen Anspruch und Gewissen vereinbaren lässt. Und es wäre jammerschade, wenn dieses Kleinod Budapests dem Irrweg der sich in Ungarn festigenden Autokratie und Kleptokratie zum Opfer fallen würde, ohne dafür irgendwie verantwortlich zu sein.
Es wird auf dieser Seite auch nicht annähernd gelingen, die Vielfalt der exquisiten Speisen und Weine zu würdigen. Deshalb bleibt nur der Rat: Schaut selbst mal in diesem Restaurant vorbei! Kommentare zu dieser Seite, zur notwendigerweise subjektiven Bewertung des Restaurants und auch zum Restaurant selbst könnt ihr gerne im Kontaktformular am Ende der Seite eingeben. Durch einen Klick auf eines der (animierten) Bilder landet ihr in der Bildergalerie, wo ihr diese und noch mehr Bilder in etwas besserer Auflösung sehen könnt. Hervorgehobene Textpassagen führen euch zu externen Inhalten, die oftmals interessant und hilfreich zum Verständnis sein können.
Das Wintermenü
Auch wenn Anfang April kalendarischer, meteorologischer und astronomischer Frühling bereits Einzug gehalten haben, gibt es im ›Baraka‹ immer noch das Wintermenü, was vielleicht auch dem aktuell in Ungarn beherrschenden Klima geschuldet ist.
»Der Winter ist die Zeit zum Geschichtenerzählen, der transzendenten Kraft zu huldigen, die diese Geschichten auf die menschliche Seele haben. Inspiration für André Bicalhos Wintermenü im »Baraka« sind asiatische Geschichten aus alter Zeit: Sagen von Liebe, Tod, Glaube und Mysterium, interpretiert mit seinem kulinarischen Werk.«
Der Aperitif
Neben einer großen Auswahl an Champagner und Gin Tonic fanden sich auf der Karte auch zwei Varianten ungarischen Sekts (beide im Champagnerverfahren gekeltert), für die wir uns dann auch entschieden haben:
Erste Variante (und vom Sommelier bevorzugt) war ein »Kreinbacher Prestige Brut Classic«, ein tatsächlich klassisch anmutender Weißweinsekt aus 60% Chardonnay und 40% Furmint. Sowohl der Chardonnay als auch der Furmint, eine klassische ungarische Weißweinsorte, wurden am Somló, einem erloschenen Vulkan, angebaut, der für seine reine Basaltlage bekannt ist.
Die zweite Variante war ein fruchtig-frischer Rosé-Sekt, ein »St. Donát Magma Kékfrankos Brut«, aus dem in Österreich Blaufränkisch und in Ungarn Kékfrankos genannten Lemberger, der für diesen Sekt in Csopak am Balaton (Plattensee) auf einem vulkanischem Boden angebaut wurde. Dieser bereits 2013 geerntete Kékfrankos fand nach einer traditioneller Versektung 2018 seinen Weg in den Verkauf.
Zum Aperitif und auch während des gesamten Menüs gab es Brioche und Cranberry-Brot, beides von David Seboek, einem gelerntem Bäcker, höchstpersönlich gebacken. Dazu gab es eine dezent gesalzene Butter mit geschroteten Kakaobohnen.
Amuse-Bouche
Für das Amuse-Bouche hat sich der Sommelier etwas besonderes einfallen lassen: ein nicht filtrierter und damit wolkig-trüber »Sayuri (›Kleine Lilie‹) Nigori Sake« stimmt uns auf den auf dem Fuße folgenden Genuss ein.
»Die Kitsunebi (Fuchsfeuer) genannten Irrlichter werden von Zauberfüchsen (Kitsune) erzeugt, die ihren Feueratem dazu nutzen, sich ihren Weg zu erleuchten. Die farbenfrohen Irrlichter sind hell wie Laternen und leuchten meist rot, orange, blau oder grün. Manchmal sorgen sie dafür, dass Menschen in der Nacht vom Weg abkommen.«
In ihrer kulinarische Umsetzung werden aus den Irrlichtern der Kitsune orangefarbene Kürbis-Curry-Chips, Macarons mit Roter Beete und Entenleber, Ziegenkäsebällchen mit Blue Curaçao und Wasabi-grün gefärbten Shrimps. Alten Abbildungen der vor einem Baum tanzenden Irrlichter folgend, finden sich die essbaren Kitsunebi frei schwebend auf kleinen Spießen vor einem Bonsai-Baum drapiert.
Pauls Vorspeisenwahl stellte Küche und Sommelier vor sichtliche und auch eingeräumte Herausforderungen: Letztendlich enstschied sich die Küche für Lobster gefolgt von Schwein und als letzte Vorspeise Foie Gras, was den Sommelier zu einer gewagten aber gelungenen Achterbahnfahrt bei den gewählten Weinen zwang. Für die beiden anderen Mitesser, ergab sich die Reihenfolge der Vorspeisen einfacher: Geräucherter Aal, Sellerie und abschließend Lobster.
Legende von Tokyo
»Auf der Suche nach ihrem Vater, einem Samurai, der vom Kaiser auf eine Insel verbannt worden war, sank sie auf den Meeresgrund, wo sie ein Denkmal des Kaisers entdeckte. Sie wurde von einer schlangenartigen Kreatur angegriffen, konnte diese aber töten und das Denkmal zerstören. Dadurch wurde der auf dem Kaiser lastende Fluch gebrochen und dieser beschloss, ihren Vater freizulassen. Tochter und Vater kehrten zurück in ihre Heimatstadt Edo, die daraufhin, ihr zu Ehren, in Tokyo umbenannt wurde.«
Die geschmacklich überaus reizvolle Kombination aus dem säuerlichen Sorbet von Drachenfrucht und Apfel mit einem ausgewogenen, in sich ruhenden, Räucheraal auf Joghurtschaum und Quinoa auf einer Chardonnay-Vinaigrette hatte dem Somemelier einiges Kopfzerbrechen bereitet. Nach einigen Experimenten und Ausflügen auch nach Frankreich landete er schließlich bei dem bereits beim Aperitif beschriebenen »Kreinbacher Prestige Brut Classic«. Für die beiden bei der Vorspeisenwahl altersentsprechend gemächlicheren GenießerInnen war es ein glücklicher Umstand, dass ihre Aperitifwahl diese Vorspeisenwahl quasi vorwegnahm, so dass es keine ansonsten vom Sommelier zu umschiffende Wiederholungsgefahr gab.
Bánh chưng
»Der Herrscher Vietnams veranstaltete einen kulinarischen Wettbewerb, um herauszufinden, wer seiner Söhne sein Nachfolger werden sollte. Sein ärmster Sohn musste einfache Alltagszutaten verwenden, um zum Neujahrsfest seine Aufrichtigkeit gegenüber den Vorfahren zu beweisen. Im Gegensatz dazu nutzten die anderen Söhne erlesene und köstliche Zutaten. Lang Liêu wurde der nächste Monarch Vietnams.«
Passend zum Schweine-Dumpling auf schwarzem Reis und Bambus, mit Erdnuss-Schaum bedeckt und Hoisin-Sauce gekonnt asiatisch abgeschmeckt, gibt es den zweiten Wein auf Pauls Vorspeisen-Achterbahnfahrt: Einen fruchtigen Pinot Noir »Domaine Aubert et Pamela De Villaine Mercurey Les Montots« aus dem Jahre 2016.
Das Drachenei
»Eine chinesische Legende berichtet von einem Drachenfötus, der tausend Jahre im Meer lebte und danach noch tausend Jahre in den Bergen. Nachdem er weitere tausend Jahre unter Menschen gelebt hatte und dabei unentwegt Tinte produzierte, wurde er schließlich geboren und erhob sich in den Himmel.«
Das liebevoll gestaltete Drachenei aus Knollensellerie barg in seinem Innern ein formvollendet gestaltetes Eigelb aus Karottenmus und lag in einem Nest aus frittiertem Grünkohl und Gemüsefäden. Der Chilijus verlieh dem Arrangement eine angenehm unaufdringliche Schärfe und visualisierte die mit der Geburt natürlicherweise einhergehende Blutigkeit genauso wie die unermüdliche Tintenproduktion des Drachenfötus.
Dazu gab es eine Cuvée aus zwei traditionellen ungarischen Rebsorten (60% Furmint und 40% Hárslevelű, die zweithäufigste ungarische Rebsorte), einen »Szent Tamás Nyúlászó Hárslevelű-Furmint« Jahrgang 2015. Diesen Wein gab es in einem Furmintglas, was dem Burgunderglas ähnelt und was es in dieser Form aber nur in Ungarn (der Heimat des Furmint) gibt.
Kumiho
»Eine Kumiho ist eine koreanische neunschwänzige Füchsin. Nach tausend Jahren verwandelt sie sich in eine wunderschöne Frau und verführt Männer, um diese dann aufzufressen.«
Die Foie Gras, serviert mit etwas Grünspargel und einem säuerlichen Schaum vom Fruchtfleisch des Kumquat, garniert mit pulverisiertem Grüntee (Matcha) und auf die Leber gehobeltem gefrorenen Spargel wurde begleitet von einem dieser gefährlichen Schönheit angemessenen Süßwein, einem eleganten Tokajer: »Balassa 6 Puttonyos Villő Aszú« Jahrgang 2013, eine überaus sanfte Landung der Achterbahnfahrt.
Beto Beto-san
»Den gutmütigen Geist Beto Beto-san erkennt man am Klang seiner Holzschuhe. Er synchronisiert seinen Schritt mit denen, die er verfolgt. Sagt einfach ›Bitte nach dir, Beto Beto-san‹, dann hängt er sich an den nächsten dran.«
Das von Beto Beto-san inspirierte Duo vom dunkelblauen wilden Lobster aus der Bretagne präsentierte sich mit einem Sorbet aus der lila Süßkartoffel, kleinen Kügelchen vom grünen Apfel und einer angegossenen Lobster-Bisque, die mit ihrer sanften Ingwernote und der Säure der Zitrusfrucht alle Aromen miteinander perfekt synchronisierte.
Zum Start von Pauls Achterbahnfahrt und zum Abschluss des Vorspeisenreigens für die anderen gab es zu diesem Gang einen »Kovács Nimród Battonage Chardonnay« Jahrgang 2015, der sechs Monate auf der abgestorbenen Hefe lag und dabei regelmäßig aufgerührt wurde.
Urashima
»Urashima war ein Fischer, der eines Tages eine Schildkröte rettete. Zum Dank führte ihn die Schildkröte zu einem Unterwasserpalast, wo er drei Jahre mit der Prinzessin im Palast lebte. Bei seiner Rückkehr an Land erhielt er von der Prinzessin eine Schachtel, die ihm in der Not beistehen sollte. Zu Hause angekommen, waren all seine Habseligkeiten verschwunden, so dass er in seiner Verzweiflung die Schachtel öffnete. Daraufhin verwandelte er sich in einen Kranich, der sich in die Lüfte erhob. Im Flug sah er die Schildkröte und erkannte, dass es die Prinzessin war.«
Der sich unter der Glashaube sammelnde Rauch der geräucherten Wachtel, der sich nach Abheben der Haube in die Nase und gleichzeitig kranichgleich in die Lüfte erhob, war eine überaus einfallsreiche Inszenierung der diesem Gang zugrunde liegenden Geschichte. Auf dem Teller fand die Wachtel die Gesellschaft von Blumenkohl, luftigen grünen Oliven, Kaviar vom Cassis und einer Bisque vom Riffhummer.
Passend zur Trilogie aus Wachtel, Blumenkohl und Oliven gab es dazu mal wieder einen Lemberger: einen »Schieber Trilógia Kékfrankos« Jahrgang 2015.
Moku mokuren
»Die Moku mokuren leben in den winzigen Löchern der japanischen Schiebetüren aus Papier. Ihr Name bedeutet ›viele Augen‹. Der einzige Weg, diesen Geist loszuwerden, ist, die Löcher in der Trennwand zu flicken. Bis dahin bleiben sie und beobachten alle, die im Haus leben.«
Oliven auf den französischen Coquille Saint-Jacques und Topinambur auf der Yuzu-Crème beäugen die Genießende aus dem Stachelbeerschaum. Da hilft nur eines, um der Beobachtung zu entgehen: Aufessen. Dazu ein traditionsreiches Gewächs: Ein Gewürztraminer von F.E. Trimbach aus dem Jahre 2013.
Zwischengang
Der Zwischengang entführte uns in die Pilzwelt des Waldes: Ein Tofupilz mit Trüffel, ein Eis vom Ziegenkäse und ein Ziegenkäsestengel, der der Macaronhaube Halt gab. Dazu ein italienischer »Fattorie Melini San Lorenzo Chianti« aus 2017.
Vordessert
Bevor es nun unaufhaltsam zum endgültigen Dessert geht, gibt es noch einen chinesischen Baijiu, mit Tee aromatisiert und im Reagenzglas serviert: ein leckerer Schluck!
Der goldene Buddha
»Im Jahre 1957 wurde ein gewaltiger tönerner Buddha von einem Ort zum andern transportiert. Während er von den Mönchen bewegt wurde, zeigten sich Risse. Unter dem Ton entdeckten die Mönche Gold. Historiker glauben, dass hundert Jahre früher, während eines Kriegs, Mönche das Gold schützen wollten, indem sie den Buddha mit Ton bedeckten. Da sie aber ohne Ausnahme im Krieg umgekommen sind, wurde der Schatz erst viele Jahre später entdeckt.«
Eine elegante Komposition versteckten Goldes: Süße japanische Wollmispel (Loquat), Ananas, Aprikose, Melone und die elegante Säure der Passionsfrucht. Dazu passend die Süße des »Dobogó 6 Puttonyos Aszú« aus dem Jahrgang 2009.
Weiße Schlange
»Xu Xian begegnete der Frau seiner Träume und beide heirateten ohne zu zögern. Ein Abt warnte ihn, dass sie eine Schlange sei. Um die Wahrheit herauszufinden, gab er ihr einen Zaubertrank und sie verwandelte sich in eine weiße Schlange. Angesichts der Wahrheit, starb er. Die Weiße Schlange verwandelte sich daraufhin wieder in einen Menschen und bediente sich einer roten Kräutermedizin, um ihn wieder zum Leben zu erwecken. Da er sie immer noch liebte, lebte er, entgegen dem Rat des ihm treuen Abts, von nun an auf ewig mit ihr zusammen.«
Verführerisch und jeden Widerstand im Keim erstickend: Meringe von der Kokosnuss mit »Frozen Yogurt« und einem der Süße etwas Einhalt gebietenden Zitronenschaum. Dazu eine Consommé von der Blutorange: Auf ewig dein!
Der passende Wein dazu? Natürlich ein Tokajer, aber was für einer! Der junge »Szent Tamás MÁD Késői Szüret« aus dem Jahre 2016 hat seine gewaltige Tiefe und Süße vollständig ohne Hilfe des Destruenten Botrytis entwickelt. Magie?
Der Abschluss
Zum Abschluss dieses wunderbaren Abends verwöhnt uns die Küche noch mit ein paar süßen Kleinigkeiten: mit Cranberry überzogene Schokolade, Rosinen-Muffins, kleine Apfelküchlein und Birnen-Panna-Cotta.
Dazu natürlich ein Espresso und für zwei der drei GenießerInnen noch je ein Digestif. Die Wahl fällt auf einen zwölf Jahre alten japanischen Whisky und eine ungarische Spezialität, die bislang nur der Sommelier probiert hat: Eine Birnenessenz, die ihren Alkoholgehalt erst im Laufe der langen Lagerzeit im Holzfass in einen trinkbaren Bereich bringt (aktuell 49%).
Einen solch rundum stimmigen Abend, ein solches Feuerwerk an geschmacklichen und optischen Sensation bietet sich leider nur selten. Deshalb: Dieses Restaurant ist ein Muss!